Ein Gedankenexperiment

Denke an den Menschen, den du am meisten verachtest. An den der dich am meisten verletzt hat und frage dich:

Wie gut muss es mir gehen, dass ich auch diesem Menschen gönne glücklich zu sein, ja mich sogar für diesen Menschen freuen kann.

Ich kenne leider viele Menschen, die schon wenn sie diese Frage hören mit äußerster Abneigung reagieren? Jemanden, den ich verachte Glück wünschen. Mich für jemanden freuen, der mich (absichtlich) verletzt und übervorteilt hat? Nie im Leben, ich wünsch den nicht nur weit weg von mir sondern auch weit weg von seinem Glück. …
So, oder so ähnlich fallen viele Reaktionen aus.

Wohlwollen gegenüber Menschen, die uns glücklich machen und Abneigung (Hass) gegenüber Menschen, die Dinge tun mit denen es uns nicht gut geht ist kein Zeichen von Charakter, Mut, Menschlichkeit oder sonst was. Jedes Tier reagiert so. Ok, fast.

Wie wohlwollend meine Gefühle zu Menschen sind (sein können), die mir geschadet haben, hängt davon, wie gut es mir selbst geht und ob ich mich dafür entscheide.

Das „sein können“ ist wichtig. Die andere Seite derer, die meinen das es „schlechten Menschen“ auch immer „schlecht“ gehen soll, sind die, die meinen, dass alle Menschen lieb sind und alles das ihnen widerfährt Liebe ist, wie auch sie reine Liebe sind (Achtung, Übertreibung) können ihre Wut und ihren Frust über die Ungerechtigkeiten und enttäuschen Hoffnungen die sie erlebt haben, oft gar nicht mehr spüren, geschweige denn danach handeln und bekommen oft körperliche Beschwerden. Auch ne Kombi aus beiden ist natürlich möglich.

Während die einen zum „Täter“ werden, sobald sie es können (und sei es nur in Gedanken) bleiben die anderen lieber schwache „Opfer“ (aus reiner Liebe natürlich) und verzichten darauf, Handlungen zu setzten um selbst besser in der Welt leben zu können.

Mir geht’s grad nicht gut genug um Menschen, die mir geschadet haben, glücklich sehen zu können und mich für sie freuen zu können, selbst wenn’s nicht mal alles Absicht war. Ich muss Entscheidungen treffen, von denen sich jede wie ein ziemlicher Kompromis anfühlt (noch weiter keine Treffen schon includiert), ich bin von vielen Menschen umgebenen, und fühl mich trotzdem einsam und die Botschaft aus der Visionssuche war „Lern Scheitern“. Toll. *Jammer*

Ich mag den Zustand nicht. Vielleicht werde ich später sagen, dass war total wichtig, sonst würde ich so vieles nicht verstehen … ich kann mich auch grad gar nicht auf dieses später freuen. Dabei hab ich noch Glück. Andere könnten sich das nicht mal leisten … Tja, das Argument dass es anderen schlechter geht, hilft zwar etwas in Relation zu sehen, bewirkt aber nicht, dass es mir besser geht, oder ich gar zufrieden werde.

Was mich zu der Ursprünglichen Frage des Gedankenexperiments zurück bringt: „Wie gut muss es mir gehen, damit ich auch dem Menschen, den ich am meisten verachte wünschen kann, dass es ihm gut geht?“

Viel fehlt gar nicht, aber in Stimmungen, wie dieser scheint auch das unendlich fern.

8 Gedanken zu “Ein Gedankenexperiment

  1. Das is“n Super-Text (Achtung: ohne Ironie usw.; ich gewöhne mir immer mehr an, das ausdrücklich hinzuzufügen, was wahrscheinlich nicht nur besser, sondern auch notwendig ist), aber eben erst mal „nur“ ’n Text…

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      1. … nee, is‘ überhaupt nich‘ weitsichtig, ich habe damit angefangen, nachdem mir ungefähr 234 Male „mitgeteilt“ wurde, dass man das bei mir immer nicht auseinander halten könne…

        Genüßlich zwei, drei Tonnen Asche auf sein Haupt schüttend verbleibt

        Das Fossil

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  2. …es geht mir genauso…es hilft mitunter nicht, mir zu sagen, dass der andere, der mir geschadet hat, auch nur ein Mensch mit Bedrängnissen und Ängsten ist…ich will auch wütend sein dürfen und jemandem Schlechtes wünschen, wenn mir danach ist…sonst ist alles gute Wünschen ja nur scheinheilig…

    …wirkliches Verzeihen kommt von alleine und kann nicht durch Einsicht verordnet werden…und ich bin mir nicht sicher, ob es davon abhängt, wie gut es einem selber geht…ich denke eher, es hat nur am Rande damit zu tun…

    liebe Grüße

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    1. Kommt drauf an, was man unter ‚gut gehen‘ versteht. Ich meine damit nicht das gut, wenn die Ego-Sonne scheint, sprich Erfolg, Bestätigung und sonstiges im Übermaß da ist, sondern das ‚gut gehen‘ wenn ich in meiner Mitte bin. Ich kann dann trotzdem traurig, unsicher, oder sonst was sein, aber mir geht es gut, weil ich bei mir bin. Aus meiner Mitte kann ich auch dann anderen Menschen wohlgesinnt und freundlich begegnen, weil ich es auch zu mir selbst bin. Das meine ich mit “gut gehen“

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      1. …das verstehe ich sehr gut…ich denke aber, dass die meisten Mneschen weit von ihrer Mitte entfernt leben…noch leben müssen und dass dadurch ihre Unsicherheit verursacht wird…usw.

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      2. …ich denke mal, es war immer möglich, aber heute kommen wir natürlich alle – jedenfalls in unseren Breiten – an Informationen, die diesen Weg unterstützen können, was er erleichtert…

        …auch wenn von vielen diese nur als Alibi benutzt werden, sich nicht ändern zu müssen…

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